Psychologie: Warum Neinsagen Führungskräfte stärkt
Ich kannte die beiden Chefredakteure nicht persönlich, die an jenem Tag vor ein paar Jahren überraschend gemeinsam ihren Rücktritt erklärten. Dennoch applaudierte ich ihnen innerlich für ihre klare Haltung. Für mich war sofort erkennbar: Sie wollten und konnten den neuen Kurs ihres Verlagshauses nicht mittragen â und zogen die für sie einzig mögliche Konsequenz.Beim Mittagessen wurde die Personalie heià diskutiert. âIch finde es hart, dass die zwei ihr Team in dieser Situation allein lassenâ, meinte eine Kollegin. An diesen Aspekt hatte ich zuvor gar nicht gedacht. Aber natürlich hatte sie einen Punkt. Eine Eskalation kann das Team in Unsicherheit stürzen und die Situation verschlechtern.Führung bewegt sich heute häufig zwischen zwei Polen: klare Kante zeigen und in die Konfrontation gehen â oder deeskalieren, den eigenen Stolz herunterschlucken und das Beste für das Team herausholen. âIch trage Verantwortung für viele Arbeitsplätzeâ, erzählte mir eine Managerin kürzlich im persönlichen Gespräch über die transatlantischen Beziehungen. âDa muss ich meine Worte mit Bedacht wählen.âSagen Sie, wofür Sie stehenFakt ist: Was in den USA gestern noch als erwünschte Haltung galt und scheinbar von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wurde, wird nun zum Gegenstand aktivistischer Klagen mit hohen Entschädigungsforderungen. Wie Führungskräfte diesen Balanceakt meistern können, erklärt Christian Lawrence, Jurist und Partner bei der strategischen Kommunikationsberatung CCounselors mit Sitz in Düsseldorf, in seinem hilfreichen Artikel âHaltung um jeden Preis?
â. Unternehmen sollten sich zum Beispiel vorrangig zu den Themen äuÃern, die direkt mit ihrem Geschäftsmodell und den dafür notwendigen politischen Rahmenbedingungen in Verbindung stehen. âSich rauszuhalten, ist keine Optionâ, sagt Lawrence.Ein weiterer guter Tipp, den mir eine in Politik und Wirtschaft erfahrene Kommunikationsexpertin neulich mitgab: Haltung lässt sich auch durch ein klares Wofür zum Ausdruck bringen â für Vielfalt, für Demokratie, für die Freiheit von Forschung und Lehre. So können Sie Haltung zeigen und Brücken offen lassen.Es gibt jedoch Momente, in denen das nicht mehr genügt. Die Integrität einer Organisation â und auch unsere persönliche Integrität â verlangt den Mut, Grenzen zu ziehen und diese zu verteidigen. Sei es, weil wir den strategischen Kurs unseres Arbeitgebers nicht mehr mittragen können oder weil es darum geht, Grundwerte wie Gewaltenteilung und Demokratie zu schützen, wie es der Präsident der Harvard University vergangene Woche getan hat. âKeine Regierung â unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist â sollte diktieren, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie aufnehmen und einstellen dürfen und welche Studien- und Forschungsbereiche sie verfolgen dürfenâ, schrieb Alan M. Garber in seinem Statement
. Unabhängige Forschung darf für eine Institution wie die Harvard University nicht verhandelbar sein. Manchmal müssen wir Nein sagen, um für andere voranzugehen â und einen neuen Weg aufzuzeigen.Was beschäftigt Sie gerade in Ihrer Rolle als Führungskraft? Schreiben Sie mir gern.Herzliche GrüÃe und bis baldAntonia GötschChefredakteurin Harvard Business manager